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Pressemitteilung

Interview mit Claudia Wiest

Die ÖDP- Bundestags-Spitzenkandidatin Claudia Wiest war Gast beim Kreisverband Straubing-Bogen

Von links nach rechts: Bernhard Suttner, Claudia Wiest, Michael Röder, Maria Birkeneder

Bernhard Suttner, Claudia Wiest, Michael Röder, Maria Birkeneder

Am letzten Donnerstag konnten die Mitglieder des ÖDP-Kreisverbands Straubing-Bogen die ÖDP-Bundestagsspitzenkandidatin Claudia Wiest in Kirchroth begrüßen. Die vierfache Mutter und Kreisrätin aus dem Nachbarlandkreis Regensburg stellte sich zunächst vor. In Kirchroth hatte sie Ihre ersten Jahre als Grundschullehrerin verbracht. Auch zur Nachbargemeinde Parkstetten habe sie einen besonderen Bezug, da sie auch dort einige Jahre Ihres Berufslebens verbracht hatte. Als Besonderheit der Wahlveranstaltung hatte sich der Kreisvorstand ein Interview einfallen lassen. Die Fragen stellte Kreisvorsitzender Suttner, aber auch die Zuhörer hatten die Möglichkeit nachzuhaken.

Suttner: Warum engagieren Sie sich in der ÖDP und nicht in einer größeren Partei?

Wiest: Ich komme aus Rosenheim, aus einer Gegend mit scheinbar intakter Natur. Dies hat mich früh zum Umweltschutz gebracht. Ich ging dann nach München und studierte zunächst Physikalische Technik mit Schwerpunkt Umwelttechnologie, dann Politik und Soziologie. Meine Grundprinzipien wie Transparenz, Entscheidungen treffen und Aufrichtigkeit ohne Parteizwang sind auch die Grundprinzipien der ÖDP. Wichtig ist mir auch, Herausforderungen zu benennen und Lösungen konkret anzupacken. Die ÖDP-Politik ist nicht auf kurzfristige Erfolge, sondern auf den Erhalt der Lebensgrundlagen und die Fürsorge für die zukünftigen Generationen geprägt. Die ÖDP ist und bleibt deshalb meine politische Heimat auch wenn ich schon von einigen anderen Parteien umworben wurde.

Suttner: Welcher Erfolg der ÖDP aus der Vergangenheit freut Sie besonders?

 Wiest: Seit über 15 Jahren engagiere ich mich in der ÖDP und habe mich bei allen Aktionen engagiert. Für mich persönlich sind die Erfolge in der Atompolitik aber am meisten. Aktuell platzt mir die Hutschnur, dass EU-Energiekommsar Öttinger die Atomkraft hoffähig machen will und sogar als CO2 neutrale Energie bezeichnet. Der vermeintliche Atomausstieg hat uns zu sehr eingelullt. Noch immer laufen die AKW Isar I und Grafenrheinfeld. Gundremmingen soll sogar leistungsgesteigert werden. Kaum mehr einer weiß, dass es in Bayern weitere 5 konkrete Atomkraftwerksstandorte gegeben hat. Deren Realisierung hat die ÖDP alleine durch die Ankündigung eine Bürgerentscheids verhindern können.

 Suttner: Manche Autoren wie z. B. der Vordenker der Grünen Ralph Fücks versprechen ein umweltverträglichen Wachstum („green growth“), andere Autoren wie z. b. Niko Paech glauben , dass es ohne deutliche Einschränkungen beim Anspruchsdenken keine Nachhaltigkeit geben kann. Wie sehen sie das Problem?

Wiest: Grundsätzlich finde ich das Wort Nachhaltigkeit überstrapaziert und versuche es deshalb zu vermeiden. Ich halte eine konsequent ökologisch-soziale Marktwirtschaft für wichtig und machbar. Das bedeutet Qualität vor Wachstum. Die ÖDP fordert ja den wachstumslosen Wohlstand. Vor kurzem habe ich erst einen Vortrag von Dr. Reiche/Friedrichshafen gehört, der sich mit der Postwachstumsökonomie auseinandersetzt. Mein Sohn studiert internationale Wirtschaft in Bayreuth. Auch dort wird ist der Begriff Postwachstumsökonomie durchaus geläufig. Das ist also kein Hirngespinst von ein paar sozial romantischen Spinnern. Die ÖDP ist hier halt wieder einmal ihrer Zeit weit voraus.

 Suttner: Welche Gruppe in unserer Gesellschaft halten Sie für benachteiligt? Wie könnte für diese Gruppe mehr Gerechtigkeit geschaffen werden?

 Wiest: Aus meiner persönlichen Erfahrung als Lehrerin sind das die Familien. Einen Generationenvertrag gibt es nicht mehr. Ältere Mütter sind mittlerweile die, die am meisten von Altersarmut betroffen sind. Familien können es sich auch oft nicht leisten, in einem Ballungsgebiet zu wohnen, wenn sie Kinder haben wollen. Alleinerziehende sind nicht nur steuerlich benachteiligt, sondern auch am Arbeitsmarkt. Der Arbeitsmarkt geht teilweise rücksichtslos mit Kindern und deren Eltern um. Mütter haben nach der Erziehungszeit oft keine Chance mehr, ihre alte Tätigkeit auszuüben. Von Karrierechancen möchte ich gar nicht reden. Meist müssen sich Frauen zwischen Kindern oder Karriere entscheiden. Was kann man gegen diese Benachteiligung tun? Ein wichtiger erster Schritt ist die Forderung der ÖDP nach einem sozialversicherungspflichtigen Erziehungsgehalt von 1000€ in den ersten 3 Lebensjahren des Kindes. Das ist keine Utopie, sondern durchgerechnet und machbar. Auch ein familiengerechtes Rentensystem, das die Erziehungsleistung würdigt ist notwendig.

 Suttner: Wie sehen Sie das Verhältnis von familiärer Betreuung zur Kinderbetreuung in Krippen und Kindergärten? Wie stellen Sie sich eine positive Gestaltung der Kinderbetreuung vor?

 Wiest: Das Grundgesetz sichert eine familiäre Betreuung zu, die Realität sieht leider anders aus. Viele Familien können sich nur mit 2 Gehältern finanzieren. Wenn eine Fremdbetreuung erfolgt, ist der Betreuungsschlüssel ganz entscheidend. Nach aktuellen Erkenntnissen der Bindungsforschung liegt ein gutes Verhältnis von Betreuungsperson zu betreuten Kindern bei 1:3 oder maximal 1:4. Wichtig ist für Kleinkinder eine feste Bezugsperson, diese darf nicht ständig wechseln. Durch die aktuelle Finanzierung der Kinderkrippen und Tagespflegeeinrichtungen ist diese qualitativ hochwertige Betreuung, die für die emotionale und soziales Entwicklung der Kinder so wichtig ist nicht gewährleistet.

 Suttner: Ministerpräsident Horst Seehofer will über eine Bunderatsinitiative erreichen, dass große Windkraftanlagen nur noch mit einem Abstand von 2 Kilometern zum nächsten Wohnhaus errichten werden dürfen. Ist das eine gute Idee?

 Wiest: Windkraft braucht Planungssicherheit. Unser Nachbarlandkreis Cham produziert bereits die Hälfte des Stroms aus erneuerbaren Energien, obwohl die Windkraft dort nur marginal genutzt wird. Mittlerweile ist wissenschaftlich erwiesen, dass eine Energieversorgung mit 100% erneuerbaren Energien machbar ist. Woher kommt nun die Aussage von Seehofer? Natürlich von den großen Stromkonzernen, die sich über ihre Spenden die Politik kaufen. Durch Windkraft kann regional Strom produziert werden, sie fördert regionale Wirtschaftskreisläufe. Das erwirtschaftete Geld wird auch vor Ort wieder ausgegeben. Das wollen die großen Stromkonzerne natürlich verhindern.

 Suttner: Viele Bürgerinnen und Bürger fürchten sich angesichts der angekündigten „Energiewende“ vor ständig steigenden Stromkosten. Sind diese Befürchtungen berechtigt? Mit welchen Argumenten kann man die Bürgerinnen und Bürger trotzdem für den Umstieg auf 100% erneuerbare Energie begeistern?

 Wiest: Wer behauptet, die Energiewende kommt zu schnell, der regiert an der Mehrheit der Bevölkerung vorbei. Wer dann noch fordert, dass die Kernenergie genauso gefördert werden muss, der tritt die Bürgermeinung mit Füßen. Die ÖDP ist die Partei der direkten Demokratie. Die Mehrheit der Bürger ist gegen Atomkraft und deshalb muss dies auch umgesetzt werden. Nicht der Umstieg auf erneuerbare Energien ist teuer, sondern die langfristige Nutzung von fossilen Energieträgern. Wichtig wäre aber auch die Forschung an und Förderung von Speichersystemen. Ebenso wichtig ist aber die Forcierung der Energieeinsparung und der Energieeffizienz. Hier besteht dringender politischer Handlungsbedarf.

 Suttner: Innerhalb von 10 Jahren wurden wir von einem sog. „Jahrhunderthochwasser“ heimgesucht. Glauben Sie, dass sich hier Folgen der Klimaveränderung zeigen? Tun wir genug, um die Verschärfung des Treibhauseffekts doch noch zu vermeiden oder wenigstens gehörig abzuschwächen?

 Wiest: Ich finde schon alleine den Begriff Jahrhunderthochwasser irritierend, da sich der Begriff schneller überholt, als man es aussprechen kann. Das Problem ist ein politisches. Es hat sich für die betroffenen Bürger als katastrophal herausgestellt, dass die bayerische Staatsregierung den Ausbau des Hochwasserschutzes an der Donau deshalb verhindert hat, weil sie ihn mit dem staustufengestützten Ausbau verknüpft hat. Hier gibt es aber keine Verknüpfung. Das ist politisch hausgemacht. Hoffentlich erinnern sich die Bürger bei der anstehenden Wahl daran. Die Ausweisung von Überschwemmungsflächen zu Wohn- und Gewerbegebieten war und ist ein fataler Irrtum. Hochwasserschutz ist mittlerweile eine Art technisches Wettrüsten geworden. Hochwasserschutz geschieht nicht mit, sondern gegen die Natur. Wasser braucht Platz. Ziel kann also nur die Ausweisung von Überflutungsflächen sein. Die ÖDP setzt sich schon immer für natürliche Flussläufe ein. Breitwasser verhindert Hochwasser.

 Suttner: Täglich verschwinden in Bayern 18 Hektar freies Land unter Asphalt und Beton. Diese Flächen werden für Wohn-, Gewerbe und Straßenbau verbraucht. Macht Ihnen dies Sorge? Was ist zu tun?

 Wiest: Gerade bei uns im Gemeindegebiet Wiesent entsteht ein neues Gewerbegebiet. Die Autobahn A3 soll ausgebaut werden. Flächenversiegelung: die Folgen sind Erdrutsche, Überschwemmungen. Die ÖDP fordert ein Moratorium im Straßenbau. Die Entschärfung von Unfallschwerpunkten sollte im Vordergrund stehen. Auch die dringend notwendige Sanierung unseres Straßensystems wird die Arbeitsplätze im Straßenbau sichern. Ein deutliches Signal, dass hier dringender Handlungsbedarf besteht, zeigen die zahlreichen „Blow-ups“ bei hohen Temperaturen, die wir gerade auf unseren Autobahnen erleben. Statt unser Straßensystems zu erhalten, werden immer neue Straßen gebaut. Dabei reichen die Mittel nicht einmal mehr andeutungsweise für den Erhalt unseres Straßensystems. Auch das ist ein Auswuchs des ständigen Zwangs zum Wachstum.

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